Poetry

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Es gab mal eine Zeit, da ich es meinem Genossen verübelte, wenn seine Religion der meinigen nicht nahe war;
Jetzt aber nimmt mein Herz jegliche Form auf:
es ist ein Weideplatz für Gazellen, ein Klopfer für Mönche,
Ein Tempel für Götzenbilder und eine Kaaba für den Pilger,
Die Tafeln der Thora und das heilige Buch des Qur`ans .
Die Liebe allein ist meine Religion, und wohin ihre Reittiere immer
sich wenden, so ist sie meine Religion und mein Glaube

__________Muhammed Muhyaddin Ibn Arabi

Der Winter hat sich angefangen,
Der Schnee bedeckt das ganze Land,
Der Sommer ist hinweggegangen,
Der Wald hat sich in Reif verwandt.
Die Wiesen sind von Frost versehret,
Die Felder glänzen wie Metall;
Die Blumen sind in Eis verkehret,
Die Flüsse stehn wie harter Stahl.
Wolan, wir wollen von uns jagen
Durchs Feur das kalte Winterkleid;
Komt, laßt uns Holz zum Herde tragen
Und Kohlen dran, jetzt ist es Zeit.
Lasst uns den Fürnewein hergeben
Dort unten aus dem großen Fass!
Das ist das rechte Winterleben:
Ein’ heiße Stub’ und kühles Glas.
Wolan, wir wollen musizieren
Bei warmer Luft und kühlen Wein;
Ein ander mag sein’ Klagen führen,
Den Mammon nie lässt fröhlich sein.
Wir wollen spielen, scherzen, essen,
Solang’ uns noch kein Geld gebricht,
Doch auch der Schönsten nicht vergessen,
Denn wer nicht liebt, der lebet nicht.
Wir haben dennoch gnug zu sorgen,
Wann nun das Alter kommt heran;
Es weiß doch keiner, was ihm morgen
Noch vor ein Glück begegnen kann.
Drum will ich ohne Sorgen leben,
Mit meinen Brüdern fröhlich sein.
Nach Ehr’ und Tugend tu’ ich streben,
Den Rest befehl’ ich Gott allein.

Johann Rist (1607-1667)

Mein Fenster lehnt sich weit in den Abend hinaus,
Die Wolken stehen über den Dächern, ein Blumenstrauß,
Die Luft streichelt mich und ist sanft und voll großer Güte.
Ich aber halte die Hände gefaltet, denn ich bin müde,
Und höre verwundert auf das beschwingte Schreiten
Der Menschen, die auf der Straße vorübergleiten,
So sehr sind ihnen heute die Glieder leicht.
Nur ich liege, schwergebettet in meine Müde.
Manchmal höre ich einen Schritt, der Deinem gleicht,
Dann bin ich, Geliebter, wie die Musik der Schritte leicht
Und wie die Wolken über den Dächern silberne Blüte.

Maria Luise Weissmann, 1899 – 1929